Vortrag: Passion – Wachs – Anatomie. Zum Verhältnis von Christentum und Medizin

Mi., 14.9., 19.00 Uhr, mit Dr. phil. Liselotte Hermes da Fornseca, Hamburg

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Vortragsreihe „Anatomie im Jahrhundert der Aufklärung”

Begleitprogramm zur Sonderausstellung
Die „Alte Anatomie“. Ein Gebäude im Wandel 1723 – 2016

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Um 1750 entstanden in Italien die ersten medizinischen Institute und Museen, wie sie heute noch vorzufinden sind. Dies geschah nicht, wie häufig behauptet, im Widerstreit mit der katholischen Kirche. Vielmehr trieb die Kirche diese Entwicklung voran. Wachte sie einerseits über unverwesliche Leichen als Zeichen der Heiligkeit, förderte sie zugleich die Produktion unverweslicher anatomischer Wachspräparate zur allgemeinen medizinischen Bildung. Dabei wanderte das Wachs, das bis dahin als jungfräuliches und heiliges Material zur Herstellung von Votivgaben gedient hatte, als „lebensähnlichstes“ Material in die Wissenschaft zur Darstellung „des Menschen“. Verschwanden die Votiv-Körper also als „Aberglaube“ aus den Kirchen, tauchten „Adam“, „Eva“, „Heilige“ und der Heiland als „wissenschaftliche Wunder“ in den Instituts-Museen auf.

Abgesehen von den ikonografischen Ähnlichkeiten zwischen den religiösen Darstellungen und den anatomischen Sektionen, gibt es aber auch eine enge Verbindung zwischen den Leib- und Körper-Vorstellungen des Katholizismus und der Medizin. Darin zeigt sich ein „Körperkult“, der den menschlichen Körper und seine Grenzen von Leben und Tod zu überwinden sucht – und der unsere Körperhaltung bis heute prägt. Der Vortrag wird demnach nicht nur den Ähnlichkeiten von ‚Passions’darstellungen der Kirche und der Medizin nachgehen, sondern vor allem die „Körperbilder“ herausarbeiten, die dem „wunderlichen“ einiger medizinischer Darstellungen auf die Spur kommen könnten.   

Zur Referentin:

Studium der Deutschen Sprache und Literatur, Ethnologie, Skandinavistik, Philosophie und Kunstgeschichte an den Universitäten Hamburg, Rom und Bologna. Promotion an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg zum Thema „Fragen über Leben: Ähnlichkeit und Übersetzung von Leben in Darstellungen des Menschen“. Zurzeit Dozentin an der Leuphana Universität Lüneburg.    

Publikationen zum Thema:

Liselotte Hermes da Fonseca, Thomas Kliche (Hg.): Verführerische Leichen, verbotener Verfall. „Körperwelten“ als gesellschaftliches Schlüsselereignis. Lengerich, New York u.a. 2006

Wachsfigur – Mensch – Plastinat. Über die Mitteilbarkeit von Sehen, Nennen und Wissen. In: Deutsche Vierteljahresschrift 1 (1999), S. 43-68

Das Leibhaftige, böse Gewordene des modernen Körpers. Eine Lektüre ‚guter’ und ‚böser’ Repräsentationen von Kreuzigungen. In: Psychologie & Gesellschaftskritik, Hf. 3, 2004, S. 183-207

Fleischgewordene Transzendenz des totalen Körpers: Körper und Leben als „Beschränkung von Freiheit“. In: Wolf Gerhard Schmidt (Hg.): Körperbilder in Kunst und Wissenschaft. Würzburg 2014, S. 107-138

 Eintritt frei

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