Schutzkleidung IV

Als wäre man im falschen Film | In den ersten Wochen der Corona-Krise wähnte man sich beim Betrachten der aktuellen Nachrichten manchmal wie in einem Katastrophenfilm. In den Gängen der Krankenhäuser drängen sich hustende Menschenmassen, Messehallen und Fußballstadien werden zu provisorischen Lazaretten umgerüstet. Regierungen stellen ganze Gemeinden mittels Notverordnung unter Quarantäne und lassen die Ausgangsperren durch die Polizei überwachen. Ärzte und Pflegepersonal verzweifeln angesichts fehlender Schutzkleidung, versorgen die Erkrankten aber dennoch unter Vernachlässigung aller Sicherheitsregeln – und sterben letztlich selbst an dem Virus. Angesichts dieser medialen Bilderflut konnte leicht der Eindruck entstehen, man hätte all diese Szenarien bereits im Kino oder im Fernsehen gesehen.

In der Tat haben in den letzten Jahrzehnten dutzende Filme das Auftauchen eines ominösen Virus und den Ausbruch einer weltweiten Pandemie fiktiv durchgespielt. Als „Mutter aller Viren-Filme“ gilt dabei der Hollywood-Blockbuster „Outbreak“ des deutschen Regisseurs Wolfgang Peterson aus dem Jahre 1995. Darin gelangt ein hochansteckendes Virus aus dem afrikanischen Urwald mit einem illegal in die USA geschmuggelten Affen in die Provinzstadt Cedar Creek und infiziert in Windeseile nahezu die gesamte Bevölkerung. Die Stadt wird unter Quarantäne gestellt, doch stündlich steigt die Zahl der Toten. Während die Virologen vom CDC verzweifelt versuchen, die Ausbreitung des Virus auf das gesamte Land zu verhindern, steht das Militär bereit, um die Stadt und seine infizierten Bewohner mit einer Atombombe auszulöschen. Wir wären aber nicht in Hollywood, wenn dem Helden – einem Arzt des US-Militärs – nicht in letzter Minute die Rettung gelingen würde. Er kann den entlaufenen Affen einfangen und aus dessen Blut die Antikörper gegen das Virus gewinnen. Er rettet damit auch das Leben seiner Ex-Frau, die sich als Virologin beim CDC beim Hantieren mit einer Blutprobe mit der Spitze durch ihren Schutzanzug gestochen und dabei selbst mit dem Erreger infiziert hat.

Der Film weist interessante Parallelen zur aktuellen Pandemie auf: Wie bei Corona wird der „Motaba“ genannte fiktive Virus über Tröpfchen übertragen. In einer der eindrücklichsten Szenen des Films bekommt ein Erkrankter in einem überfüllten Kino einen Hustenanfall und stößt mit jedem Huster Unmengen an Viren aus. Wolfgang Peterson inszeniert diesen tödlichen Tröpfchen-Flug in die weit aufgerissenen Münder der lachenden Menge sehr überzeugend und erschreckend realistisch. Denn der hustende Kranke in „Outbreak“ ist der erste „Superspreader“ des Motaba-Virus, ähnlich wie der Barmann im Tiroler Skiort Ischgl oder der Besucher einer Karnevalssitzung im deutschen Heinsberg beim Corona-Virus.

Es ist kein Zufall, dass sich Wolfgang Peterson ausgerechnet 1995 an die Verfilmung von „Outbreak“ machte. Zu dieser Zeit rückten Infektionskrankheiten trotz Antibiotika und Impfprogrammen wieder vermehrt in den Fokus von Virologen. Vor dem Hintergrund der Globalisierung warnte man zunehmend vor dem Vordringen in unbewohnte Gebiete Afrikas und Asiens. Man betonte die Gefahr, dass etwa Holzarbeiter im Dschungel mit unbekannten Erregern in Kontakt kommen oder exotische Wirtstiere in die Städte bringen könnten. Diese Thesen wurden auf zahlreichen virologischen Kongressen diskutiert und in medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht. Diese Artikel wiederum dienten Autoren als Grundlage für ihre Sachbücher und Romane, in denen sie das Aufeinandertreffen von unbekannten Viren mit einer nicht immunen Menschheit nachzeichneten.

So beschrieb etwa der US-amerikanische Autor Robert Preston in seinem 1994 erschienenen Sachbuch „The Hot Zone“ den einige Jahre zuvor tatsächlich stattgefundenen Ausbruch eines Ebola-Virus-Stammes in einer Einrichtung für Versuchstiere. Der Erreger nutzte Affen aus den Philippinen als Wirt und reiste mit diesen in die USA. Nur dem raschen Handeln der Gesundheitsbehörden war es damals zu verdanken, dass dieser tödliche Erreger nicht auf Menschen überspringen konnte. Dieses Buch diente Peterson als Vorlage für seinen Film „Outbreak“. Angesichts der Fotos aus dem Film, die überfüllte Krankenzimmer und ratlose Ärzte in Schutzkleidung zeigen, fühlt man sich tatsächlich an die aktuelle Corona-Pandemie erinnert.

Autor:
Dr. Alois Unterkircher
Deutsches Medizinhistorisches Museum Ingolstadt
www.dmm-ingolstadt.de

Literatur:
- Semmler, Alexandra: Ebola goes Pop: The Filovirus from Literature into Film. In: Literature and Medicine 17 (1998), S. 149-174
- Wald, Priscilla: Contagious. Cultures, Carriers, and the Outbreak Narrative. Durham / London 2008

Veröffentlicht am 25.4.2020 als Beitrag für die Galerie Covid-19 & History

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