Schutzkleidung III

Ferdinand Sauerbruch im OP-Saal | Mundschutz und Schutzkittel sind die Dinge der Stunde. In den Kliniken laufen die Drähte heiß. Es gilt, diese Utensilien in genügend hoher Stückzahl vorzuhalten, um für den möglichen Ansturm von schwer kranken Covid-19-Patienten gerüstet zu sein.

Sich selbst, vor allem aber auch die Kranken im direkten Kontakt zu schützen, ist schon lange ein Thema in den Krankenhäusern. Den Anfang machte die Chirurgie. Das Gemälde hier, ein medizinisches Gruppenporträt mit prominenter Besetzung aus dem Jahr 1922, liefert jedoch eher einen Beleg dafür, wie man es nicht machen sollte. Im Zentrum des Geschehens agiert kein Geringerer als der seinerzeit bereits berühmte Chirurg und Brustkorbspezialist Ferdinand Sauerbruch (1875-1951). Der Patient ist auf die linke Seite gelagert, mit dem Oberkörper leicht erhöht. In einer Art Schwitzkastenhaltung lehnt sich der Operateur über die Schulter des Kranken und verrichtet sein Tagwerk: eine serielle Rippenentfernung bei Lungentuberkulose. Während seine Assistenten unmittelbar neben ihm Mundschutz tragen, verzichtet Sauerbruch darauf. Der Blick ist frei. Dafür streicht sein Atem direkt in die Wunde. Auch trägt „der Chef“ keine Handschuhe. Diese sind ihm erklärtermaßen zuwider, denn er braucht beim Operieren Fingerspitzengefühl. Sauerbruch ist damit beileibe nicht der Einzige. Auch andere Granden der Chirurgie lassen sich im frühen 20. Jahrhundert im Operationshörsaal vor den Studierenden – künftigen Ärzten immerhin – ohne Schutzmaßnahmen fotografieren oder in Öl verewigen. Qua Selbsteinschätzung glaubten sie, sich wider besseres Wissen anders verhalten zu dürfen als das Gros der Kollegen ihrer Zunft.

Dabei waren steriler Mundschutz und Handschuhe – ebenso wie saubere Kittel – in der Operationssaalpraxis der 1920er Jahre längst eingeführt. 1890 wurde an der Chirurgischen Universitätsklinik zu Berlin im Kreise der Assistenzärzte unter Ernst von Bergmann (1836-1907) das  „aseptische“ Operieren erdacht und erprobt. Ziel war die absolute Keimfreiheit im OP. Der Raum wurde dafür intensiv gesäubert und desinfiziert. Instrumente, Tupfer, Nadel und Faden wurden ebenso steril gemacht wie Decken und Wäsche von Patienten, Schwestern und Ärzten. Und die Operateure waren plötzlich tief in eine keimfreie Schutzkleidung vermummt, trugen Hauben, Mundschutz, Handschuhe und Kittel.

Das Operationssaalbild mit Sauerbruch – übrigens linkshändig gemalt aus Dankbarkeit von Hermann Otto Hoyer (1893-1968), den Sauerbruch nach einer Kriegsversehrung mit einer aktiven Sauerbruch-Armprothese versorgt hatte – transportiert viele Botschaften. Vor allem zeigt es, wie lange es selbst unter wissenschaftlich ausgebildeten Ärzten dauerte, bis sich die inzwischen anerkannte Schutzkleidung überall durchgesetzt hatte. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete die Einführung von sterilen Einmalartikeln ab den 1960er Jahren. Sie erst ließen den heutigen hohen Standard in den Operationssälen und auf den Intensivstationen Wirklichkeit werden.

Im privaten Alltag gesunder Personen ist diese Art von Schutzkleidung normalerweise nicht nötig. Durch Covid-19 diskutieren wir jedoch aktuell, ob es für unvermeidliche Gänge über die Straße oder Einkäufe in den Geschäften ein Gebot des gesundheitlichen Respekts ist, einen Mund- und Nasenschutz zu tragen, um das Risiko der Übertragung einer möglicherweise aufkeimenden Infektion auf andere zu vermeiden. Private Hamsterkäufe von rein medizinischen Masken und Schutzanzügen verbieten sich jedoch, da diese Artikel ansonsten dort fehlen, wo sie derzeit dringend gebraucht werden: im Krankenhaus.

Autor:
Prof. Dr. Thomas Schnalke
Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité
Charitéplatz 1
10117 Berlin
www.bmm-charite.de
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Literatur:
- Bleker, Johanna: Antisepsis in Deutschland. Zur Wissenschaftsgeschichte der Chirurgie 1872-1892. In: Medizinhistorisches Journal 48 (2013), S. 273-305
- Hahn, Judith / Schnalke, Thomas: Auf Messers Schneide. Der Chirurg Ferdinand Sauerbruch zwischen Medizin und Mythos. Ausstellungskatalog. Berlin 2019

Veröffentlicht am 5.4.2020 als Beitrag für die Galerie Covid-19 & History

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