Kommunikation I

Eiserne Perforierzange zum Lochen von Briefen für die Räucherung im Rahmen der Desinfektion | Wie großartig ist es doch, dass wir im derzeitigen Zustand der obrigkeitlich verordneten „sozialen Distanzierung“ via Smartphone, Tablet und PC mit Familie, Freunden und überhaupt „der Welt draußen“ in Kontakt bleiben können. Der elektronische Datenaustausch erweist sich gerade jetzt als wahrer Segen.

Früher war die Kommunikation in Seuchenzeiten ungleich schwieriger. Die Briefe und Nachrichten waren nicht nur langsamer unterwegs als heute, sie waren auch an „Datenträger“ aus Papier gebunden – und diese konnten, so glaubte man, Krankheitsstoffe verbreiten, die sogenannten „Contagien“.

Deshalb war es üblich, in Seuchenzeiten an den Landesgrenzen strenge Kontrollen durchzuführen und alle ankommenden Güter von den vielleicht anhaftenden Contagien zu reinigen. Entsprechende Anordnungen finden sich in amtlichen Verordnungen vom 14. bis ins 19. Jahrhundert. Verdächtige Handelswaren sollten verräuchert, Wollwaren gewaschen werden. Wie aber verfuhr man mit den Briefen?

Auch sie sollten mit Rauch gereinigt werden. Zur Wahrung des Briefgeheimnisses vor allem bei amtlichen Schreiben wurde die Post für das Verräuchern jedoch nicht einfach geöffnet, sondern oft mit Schlitzen versehen oder durchlocht. Dazu nutzte man dornenbesetzte Perforierzangen, sogenannte Rasteln. So gelangte der reinigende Rauch auch ins Innere der Umschläge und Pakete. Zusätzlich zum Räuchern konnten die Briefe und Papiere auch durch Essig gezogen und anschließend getrocknet werden. Zur Kenntlichmachung der Kontrollkette wurden die Schriftstücke mit speziellen Stempeln und Vermerken gekennzeichnet.

Um das Eindringen von Krankheiten über die Landesgrenzen zu verhindern, wurden auf dem Festland – ähnlich den Quarantäne-Stationen an den Küsten – sogenannte „Pestcordons“ eingerichtet. Berühmt wurde etwa die „Militärgrenze“ des Habsburgischen Reiches. Von der Adria bis an die Karpaten erstreckte sich im 18. Jahrhundert über fast 2.000 km eine Sanitärgrenze gegen das Osmanische Reich, die die dort häufig auftretende Pest abhalten sollte. In Sicht- und Rufweite gab es kleine Stationen, in größeren Abständen waren komplexe „Kontumaz“-Stationen eingerichtet, mit Regiments- und Arztquartier, Quarantäne-Stationen, Lazarett, Plätzen für die Behandlung der Waren sowie Stallungen und Gärten. „Kontumaz“ war ein alternativer Begriff für Quarantäne im deutschsprachigen Raum (lat. contumacia: Trotz, Stolz, Eigensinn). Alle ankommenden Personen, die diese Grenze vom Balkan aus ins Habsburgische Reich passieren wollten – Diplomaten und Händler, Reisende und Migranten – hatten eine „Kontumaz“-Spanne von mindestens 21 Tagen in Isolation zu verbringen, in Zeiten bekannter Pestfälle bis zu 84 Tage. Reisende aus seuchenfreien Gebieten oder solche, die die Quarantäne überstanden hatten, konnten sich durch „Sanitätspässe“ ausweisen.

Das Verräuchern der Post erfolgte in der Regel an einfachen Rastelstationen (Rastellen) oder an großen Grenzposten wie den oben erwähnten Kontumazstationen, wo es aufwendigere Räucheranlagen gab. Das Durchlöchern, das Räuchern und die Essigbehandlung machten sicher so manchem Empfänger das Lesen seiner Post schwer – wenn er denn nach Wochen oder Monaten seinen Brief endlich in Händen halten durfte.

Literatur:
- LWL-Museum für Archäologie (Hg.): Pest! Eine Spurensuche. Darmstadt 2019
- Erna Lesky: Die österreichische Pestfront an der k.k. Militärgrenze. In: Saeculum 8 (1957), S. 82-106.
- Klaus Meyer: Disinfected Mail: Historical Review and Tentative Listing of Cachets, Handstamp Markings, Wax Seals, Water Seals and Manuscript Certifications Alphabetically Arranged According to Countries. Holton/Kansas 1962

Autorin:
Dr. Claudia Sachße
Deutsches Apotheken-Museum
Schlosshof 1
69117 Heidelberg
www.deutsches-apotheken-museum.de

Aus einem Vortrag zur Pestausstellung in Herne, der wegen der Museumsschließung ausfallen musste. Angepasst für Covid-19 & History am 27.03.2020

 

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