Impfen II

Besteck zur Impfung gegen Menschenpocken | In Zeiten der sich nun schnell ausbreitenden Covid-19-Pandemie ist die Hoffnung groß, dass bald ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht. Zwar gelingt dies nicht immer (man denke an AIDS), aber gegen andere „Geißeln“ der Menschheit wurden Impfstoffe gefunden. Sie bewirkten z.T. eine so gründliche Immunisierung der Bevölkerung, daß die viralen Erreger heute in unseren Breiten keine Rolle mehr spielen (wie bei der Kinderlähmung) oder sogar als weltweit ausgelöscht gelten dürfen. Letzteres gilt für die Pocken, die von der WHO im Jahr 1980 als ausgerottet erklärt wurden.

Im Bestand der Würzburger Medizinhistorischen Sammlungen befindet sich ein Pockenimpfbesteck, das ursprünglich dem Gesundheitsamt Kitzingen gehörte. Mit den Lanzetten in diesem von gründlicher Benutzung gekennzeichnetem Chromkästchen wurden die Pockenreihenimpfungen in den Schulen des Landkreises durchgeführt. Dafür wurde die Lanzette in das mit der Impflymphe gefüllte Schälchen getaucht, das für den Transport unter dem Lanzettenhalter verstaut werden konnte. Mit der benetzten Lanzette wurden dann mehrere kleine Ritzungen am Oberarm des Schulkindes durchgeführt. Es bildeten sich nach wenigen Tagen kleine Pusteln und schließlich die charakteristische Narbe von der Größe eines 1-Cent-Stückes, die man heute noch an den Armen der damals Geimpften sehen kann. Nach der Ritzung wurden die Lanzetten über einer kleinen Flamme sterilisiert (in dem tönnchenförmigen Schraubverschluß unter den Lanzetten befindet sich ein Docht). So konnten sie gleich weiterverwendet werden.

Diese schnelle und effektive Art der Impfung stellte den Endpunkt der Entwicklung von Impfmethoden gegen die Pocken dar. Im 18. Jahrhundert wurde zunächst mit Flüssigkeit geimpft, die direkt den Pockenbläschen Infizierter entnommen war. Auch im Würzburger Juliusspital fanden im Jahr 1767 solche Impfungen statt. Abgelöst wurde diese nicht ungefährliche Direkt-Infizierung durch Edward Jenners „Kuhpocken-Inokulation“, einer Impfung mit einer weniger pathogenen, für den Menschen ungefährlichen Erregerart. Im Königreich Bayern wurde bereits 1807 die Impfpflicht per Gesetz eingeführt. Durch den dann im 20. Jahrhundert weltweit eingesetzten Impfstoff konnten nach einem letzten Todesfall im Jahr 1978 die Pockenviren endlich für besiegt erklärt werden.

Autorin:
Dr. Sabine Schlegelmilch
Sammlungsleiterin der Medizinhistorischen Sammlungen der Universität Würzburg
Institut für Geschichte der Medizin
Universität Würzburg

Veröffentlicht am 6.4.2020 als Beitrag für die Galerie Covid-19 & History

 

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