Beten III

Zum Namenstag der heiligen Corona am 14. Mai | Auch Heilige haben Konjunktur. Sie gelten als Fürsprecher vor Gott in bestimmten Lebenslagen. Je nachdem, ob gerade ein Flächenbrand, ein Hochwasser oder eine Seuche die Menschheit bedroht, erinnert man sich verstärkt an die dafür jeweils zuständigen Heiligen. Dieses Muster ist auch aktuell zu beobachten: bei der heiligen Corona. Und das in doppelter Hinsicht.

Zunächst zum ersten Aspekt: der Namensgleichheit. Die ist kein Zufall. Das lateinische „Corona“ bedeutet so viel wie „Kranz“ oder „Krone“. Die Virengruppe, der auch SARS-CoV-2 angehört, erhielt diese Bezeichnung, weil die keulenförmigen Strukturen auf ihrer Oberfläche beim Blick durch das Elektronenmikroskop wie ein Kranz oder eine Krone aussehen. Diese wiederum ist als „Märtyrerkrone“ (martyrii corona) oder „Krone des Glaubens“ (corona fidei) in der katholischen Ikonographie ein Zeichen des durchlaufenen Martyriums. In der Orthodoxie wird das griechische Wort für Kranz, „Stephanon“ (στέφανον), mit der gleichen Bedeutung verwendet. Daher ist die heilige Corona, die „Gekrönte“, dort auch als Hagia Stephana bekannt. Ihr Name verrät also bereits, dass es sich bei ihr um eine frühchristliche Heilige aus der Zeit der Glaubensverfolgung handelt.

Was wissen wir von ihr? Unsere Kenntnis von der heiligen Corona geht auf die Acta Sanctorum oder das Martyrologium Romanum zurück. In diesen Quellen wird sie in der Regel als Ehefrau oder Verlobte des hl. Viktor genannt. Sie soll etwa 16 Jahre alt gewesen sein. Was die Datierung und den Ort ihres Märtyrertodes anbelangt, sind sich die Quellen allerdings nicht einig. Er soll um das Jahr 177 (?) oder 303 (?) stattgefunden haben, entweder unter dem römischen Kaiser Antonius Pius bzw. Gaius Aurelius Valerius Diocletianus, genannt Diokletian. Als Orte finden sich in der Überlieferung Damaskus, Antiochia, Alexandria und Marseille.

Über die Art ihres Martyriums besteht aber weitgehend Einigkeit: Ein römischer Statthalter habe die junge Christin mit Seilen zwischen zwei herabgebogene Palmen spannen lassen. Durch das Zurückschnellen sei ihr Leib dann grausam in Stücke gerissen worden. Das erinnerte an die auch in der abendländischen Tradition bekannte Leibstrafe der Vierteilung. Diese dramatische Szene ließ sich optisch sehr effektvoll darstellen. Sie fand in vielfach abgewandelter Form den Weg auf Heiligenabbildungen und Andachtsbilder. Seit dem 19. Jahrhundert wurde sie durch das Aufkommen von Fotographie, Chromo-Lithographie und Rasterdruck zur Massenware. Als erbaulicher Wandbilddruck, gerne in Verbindung mit „Schutzengel-“ oder „Herz-Jesu-Bildern“, fanden diese Motive vielfältig Eingang in bürgerliche Wohnstuben. Als Reliquien verehrte Überreste der hl. Corona liegen in Aachen und Bremen. Der mehr als 100 Jahre alte Aachener Schrein wird gerade aufwendig restauriert.

Nun zu dem zweiten Aspekt, der zur aktuellen Konjunktur der Heiligen beigetragen hat: zu ihren Zuständigkeiten. Die – vor allem in Österreich beliebte – Heilige wird nämlich traditionell in Seuchenzeiten angerufen! Sie gilt zudem als Patronin der Schatzgräber und Metzger sowie als Fürsprecherin bei Geldangelegenheiten. Die „Kronen“-Münzen, die bis 1924 in Österreich im Umlauf waren, sollen im Hinblick auf diese letztgenannte Spezialisierung der Heiligen benannt worden sein. Übrigens: Die Österreichische Kronen-Zeitung hat ihren Namen von dem ursprünglichen Abonnementspreis, der eine Krone betrug. So verdankt auch dieses Blatt indirekt der heiligen Corona seinen Namen.

Autor:
PD Dr. Friedrich H. Moll, M. A. FEBU
Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
Heinrich-Heine-Universität
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf

Postadresse:
Urologische Klinik
Kliniken der Stadt Köln gGmbH
Neufelder Str. 32
51067 Köln

Literatur:
- Jakobi: Lemma „Corona-Gebet“. In: H. B. Stäubli / E. Hoffmann-Kreyer (Hg.), Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 2. Berlin 1930/1987, Spalte 106f.
- Klaß, G.: Hagiotherapie im Mittelalter. Analyse der Voraussetzungen und Elemente eines volksmedizinischen Heilverfahrens am Beispiel des Rheinlandes. Diss. Bonn 1990, S. 107-109
- Schmidt, L.: Zur Verehrung der hl. Corona in Bayern und Österreich. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2 (1951), S. 69-79
- Teichmann, E.: Über die Heiligen. Märtyrer Leopardus und Corona im Aachener Münster. In: ZAGV 51 (1925), S. 374-381, insb. S. 374

Internetquellen:
- Kult um die Heilige Corona, link (Zugriff 8.5.2020)
- Absatz von Corona Bier steigt, link (Zugriff 8.5.2020)

Veröffentlicht am Namenstag der heiligen Corona, dem 14.5.2020, in der Galerie „Covid-19 & History

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