Pestarztmaske

Die Pest wird häufig mit dem Mittelalter in Verbindung gebracht, obwohl sie – nachdem die sogenannte „Pest des Justinian” im 7. Jh. abgeklungen war - erst Mitte des 14. Jahrhunderts wieder in den Chroniken greifbar wird. Ob der schreckliche Seuchenzug, der als „Schwarzer Tod” in die Geschichte einging und rund ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahinraffte, tatsächlich durch das Bakterium Yersinia pestis ausgelöst war, sei dahingestellt. Sicher ist jedoch, dass Europa damals von einer Epidemie bislang unbekannter Ausdehnung erfasst wurde. Schätzungen sprechen davon, dass ein Drittel der europäischen Bevölkerung starb. Ein so katastrophales Ausmaß erreichte das Seuchengeschehen nie wieder. In den folgenden Jahrhunderten kam es in den Städten Europas jedoch immer wieder zu „großen Sterben”. Erst im frühen 18. Jahrhundert zog sich die Pest endgültig aus Europa zurück.

Leben mit der Pest
In diesen vier Jahrhunderten lernte die europäische Bevölkerung mit den Seuchenjahren zu leben. Die Stadtverwaltungen erließen Medizinalordnungen, die Pestheiligen Rochus und Sebastian erfreuten sich großer Beliebtheit. Im 17. Jahrhundert trugen Ärzte in Italien und Frankreich erstmals eine spezielle Schutzkleidung mit einer grotesk anmutenden „Pestarztmaske”, die sie beim Krankenbesuch vor der Ansteckung schützen sollte. Es gibt allerdings keine Hinweise darauf, dass diese Art von Schutzkleidung zu Pestzeiten auch im deutschen Sprachraum getragen wurde.

Ansteckungstheorien
Auch wenn der „Schnabeldoktor” nicht zu den Akteuren bei Pestausbrüchen in unserem Raum gehörte, lässt sich an dieser Maske doch sehr schön ablesen, wie man sich in der vorbakteriellen Ära die Ansteckung durch die Pest erklärte: Sehr verbreitet war die Vorstellung, dass die Pest durch eine aus Osten kommende verdorbene Luft ausgelöst sei, den „Pesthauch” oder das „Miasma”. Diesem Pesthauch galt es etwas entgegenzusetzen, und deshalb barg die schnabelartige Nase der Maske einen mit duftenden Essenzen getränkten Schwamm, der die Atemluft mit dem aromatischen Geruch von Zimt, Nelken u.ä. veredelte. Auch Feuer und Räucherungen galten als probates Mittel zur Reinigung der Luft und zum Verdrängen des Pesthauches. Die Wahl des Räucherwerks richtete sich dabei nach dem Geldbeutel: wer es sich leisten konnte, ließ mit Weihrauch und Myrrhe räuchern, Arme griffen zu Wacholder oder gar zu Hornspänen. Wenn es beim Räuchern dann stank wie die Pest, hatte man sein Ziel erreicht...

Die Erfahrung zeigte, dass die Pest zudem eine stoffliche Ansteckungskomponente haben musste, weil sie auch durch Waren oder Kleidungsstücke übertragen wurde. Gegen diesen Krankheitsstoff, das „Contagium”, trug der Pestarzt ein bodenlanges Gewand aus gewachstem Stoff oder glattem Leder. Die langen Ärmel gingen nahtlos in lederne Stulpenhandschuhe über. Zudem waren die Augenöffnungen der Maske durch Scheiben aus Glas oder Kristall verschlossen, die vor dem Blick des Kranken schützen sollten, den man ebenfalls für ansteckend hielt.

Diese fast lückenlose Verhüllung dürfte für den Pestarzt durchaus eine Schutzwirkung entfaltet haben. Wirklich sicher waren aber nur diejenigen Ärzte, die rechtzeitig die Flucht ergriffen. So riet auch der Nürnberger Wundarzt und Meistersinger Hans Folz 1459: „Fleuch pald, fleuch ferr, kum wieder spot! / Das sind drei krewter in der not / für all apptecken und doctor.”

 

Autorin:

Prof. Dr. Marion Ruisinger (aktualisiert 10.1.2019)

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