Geburtszange

Zu der umfangreichen geburtshilflichen Sammlung des Deutschen Medizinhistorischen Museums gehören zahlreiche Geburtszangen, die sich oft nur in kleinen Details unterscheiden. In ihrer Zusammenschau dokumentieren sie die Problematik der schweren Geburt und die kreative Suche nach der optimalen Zangenform. Die größte Herausforderung war die Gestaltung des „Schlosses”, des Kreuzungspunktes der beiden Zangenblätter miteinander. Das Schloss musste leicht zu schließen und zu öffnen sein, aber dennoch eine stabile und zuverlässige Verbindung der beiden Blätter garantieren. Rund 80 Jahre währte die Suche nach dem idealen Schloss, die sich im Rückblick fast wie ein Kampf der Nationen liest.

Die erste, 1723 publizierte Geburtszange bestand noch aus zwei Löffelhaken, die an der Kreuzungsstelle mit einem leicht lösbaren Knoten fixiert wurden. Der Geburtshelfer William Smellie (1697–1763) verbesserte die Zange durch ein Gleitschloss, bekannt auch als „englisches Schloss”, das leicht zu bedienen war, aber wenig Halt bot. André Levret (1703–1788) entwickelte das „französische Schloss”, das zuverlässig fest hielt, aber umständlich in der Handhabung war. Im Jahr 1802 publizierte der Würzburger Professor Hermann Joseph Brünninghausen (1761–1834) eine „neue von ihm erfundene Geburtszange” mit einer innovativ gestalteten Verbindung, die als „deutsches Zangenschloss” schnell eine große Verbreitung fand.

Brünninghausen hatte zunächst mit der Zange nach Levret gearbeitet, war aber mit dem französischen Schloss nicht zufrieden gewesen. Außerdem „gleitete [ihm] die Zange zuweilen in der besten Arbeit vom Kopfe ab .[...] ein fürchterliches Ereignis, welches nicht allein eine wiederholte Anlegung zum grossen Nachtheile der Gebährenden nöthig machte, sondern, wenn es oft geschahe, sah ich daraus Folgen entstehen, an die ich nicht mehr ohne Entsetzen denken kann.” Brünninghausen zog die Konsequenz: Er ließ sich von dem Würzburger Instrumentenmacher Heine nach eigenen Angaben eine Zange anfertigen, in die seine Erfahrungen mit den vorhandenen Instrumenten einflossen. Diese Zange bewährte sich bestens: „Hat mir je ein Instrument Satisfaction geleistet, so war es diese Zange. Ich habe sie sehr oft, in sehr schweren Fällen, und immer mit durchaus glücklichen Erfolge angewandt.” Dies sei in Würzburg von noch größerer Bedeutung als andernorts, weil hier, so Brünninghausen, „der Geburtshelfer meistentheils nur dann zur Hülfe gerufen [wird], wenn die Natur, und die Kunst der Hebammen, die Kunst des Hausarztes und der rathenden Frauen durchaus nichts mehr vermögen”. In diesen verzweifelten Fällen sei die Zangengeburt der einzige Ausweg und ein zuverlässiges Instrument daher besonders wichtig.

Was machte seine Zange so besonders? Brünninghausen listete ihre „vorzüglichsten Eigenschaften” wie folgt auf: „Diese sind: dass sie leicht anzulegen seye; dass sie äusserst leicht schliesse; dass das Schloss hinlänglich fest seye; dass sie den Kopf des Kindes aufs Vortheilhafteste fasse, aufs Festeste halte, und endlich, dass sie bequem zu handhaben seye.” Abschließend bahnte er den interessierten Lesern den Weg zum Erwerb seiner Erfindung: „Unser geschickter Instrumentenmacher Herr Heine verfertiget diese Zange aus sehr gutem Stahle für 13 Gulden, 30 Kreuzer rheinisch, oder für 5 Kronenthaler meisterhaft. Er wohnte im Hauger Viertel Nro. 196. Sollte ein Geburtshelfer wünschen, diese Zange zu besitzen, so werde ich, wenn Briefe und Geld postfrey eingeschickt werden, die Bestellung mit Vergnügen übernehmen”.

 

Literatur:

H. J. Brünninghausen: Ueber eine neue von ihm erfundene Geburtszange. Würzburg 1802.

Marion Ruisinger (Hrsg.): Auf Leben und Tod. Zur Geschichte der Entbindungskunst. Ingolstadt 2009 (Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums Ingolstadt, Nr. 32)


Autorin:

Prof. Dr. Marion Ruisinger

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