Objekte können über Ankäufe und Nachlässe in die Sammlung des DMMI gelangen, der Großteil kommt aber als Spende ins Haus – so auch eine rote Blechdose mit aufgemalter goldener Mühle, in der sich sogar noch ein Rest ihres Inhalts befand, der „Kaffee-Würze aus Edel-Zichorie“. Laut Aufdruck wurde diese von der Firma Heinrich Franck Söhne in Ludwigsburg hergestellt. Werbewirksam ist das Jahr 1828 als Gründungsjahr des Unternehmens auf die Dose gedruckt. Das Verpackungsdesign verspricht den Käuferinnen und Käufern ein Markenprodukt eines traditionsreichen Herstellers. Doch was macht diese Dose zu einem medizinhistorischen Objekt?
Ersatzprodukte für Bohnenkaffee erfreuten sich Ende des 19. Jahrhunderts großer Beliebtheit. Vor allem Arbeiterfamilien griffen gerne zu kostengünstigen Alternativen anstatt zum teuren Kolonialprodukt. Aber auch im besser situierten Bürgertum war man Kaffeesurrogaten oder Beimischungen nicht abgeneigt. Der Preis spielte dabei wohl eine geringere Rolle. Vielmehr galt Bohnenkaffee als gesundheitsschädlich: Magenbeschwerden und Appetitverlust, Nervosität bis zu Neurasthenie und völliger Auszehrung betrachtete man als Folgen regelmäßigen Konsums. Ersatzprodukte aus Gersten- oder Roggenmalz, Zichorie oder Feigen versprachen dagegen gesundheitsbewussten Genuss. Sie waren meist koffeinfrei oder senkten als Beimischung den Koffeingehalt des Bohnenkaffees; Surrogate auf Getreidebasis hatten zudem einen höheren Nährwert als reiner Bohnenkaffee.
Um 1914 dominierten zwei Unternehmen den Markt für Ersatzkaffee: Die 1828 in Ludwigsburg gegründete Firma Franck und die ein Jahr später in München gegründete Firma Kathreiner. Beide verfügten über zahlreiche Fabriken in Deutschland und internationale Niederlassungen. Während Kathreiner ganz auf Gerstenmalz als Ersatzmittel setzte, experimentierte Franck mit verschiedenen Ausgangsstoffen wie Zichorie, Roggenmalz und Feigen. Das Sortiment umfasste auch einen Gesundheits-Kaffee und einen „hydropathischer Caffee“. Damit zielte Franck auf Anwender*innen und Vertreter*innen der damals sehr beliebten Hydrotherapie (Wasserheilkunde). Der Franck’sche Kaffeeersatz sei besonders für Menschen mit schwachem Magen oder Herz- und Nervenleiden geeignet. Entsprechende Expertenurteile wurden in der Werbung angeführt, wobei einige der zitierten Ärzte bei Franck als Werbebotschafter unter Vertrag standen. Die Konkurrenzfirma Kathreiner landete dennoch den weitaus größeren Coup: 1891 nahm sie keinen geringeren als den bekannten Pfarrer und Naturheilkundler Sebastian Kneipp (1821 bis 1897) als Werbegesicht unter Vertrag. Sein Portrait zierte jede Packung und Inserate gaben seine Zustimmung zum gesunden Kathreiner Malzkaffee wieder.
Die beiden Konkurrenten fusionierten schließlich im Jahr 1944 und wurden in den 1980er-Jahren Teil des Nestlé Konzerns. Dieser stellt auch heute noch ein ursprünglich von Franck entwickeltes Produkt her: den kostengünstigen, löslichen Caro-Kaffee aus Gerste, Zichorie und Roggen. Und auch in Bioläden und Cafés gibt es heute eine reiche (wenn auch teurere) Auswahl an Ersatzkaffees, die erneut als gesunde Alternative zum „schädlichen Bohnenkaffee“ vermarktet werden und damit im Trend des gesundheitsbewussten Lifestyles liegen.
Autorin
Daniela Hahn, M.A.