Löwenzahn

Löwenzahn, Taraxacum officinale Weber | Kaum zu glauben, dass der Löwenzahn noch im Mittelalter als seltenes Gewächs in Europa galt, wo er doch heute bei den meisten Gartenbesitzern als lästiges Unkraut verschrien ist. Der deutsche Name „Löwenzahn“ bezieht sich übrigens auf die Form der grundständigen Blattrosette. Die einzelnen Blätter sollen an das Gebiss eines Löwen erinnern.

Die botanische Bezeichnung „Taraxacum“ dagegen geht auf das arabische Wort al-taxaracon zurück, was „bittere Wurzel“ bedeutet. Sie finden den Löwenzahn im Arzneipflanzengarten daher auch bei den bitterstoffhaltigen Drogen. Wenn eine Pflanze den Beinahmen „officinale“ trägt, deutet das übrigens immer darauf hin, dass es sich um eine Arzneipflanze handelt, die in der „Officin“ (Apotheke) eine Rolle spielte.

 Für den Löwenzahn gibt es auch unzählige volkstümliche Namen, von denen ich an dieser Stelle nur ein paar erwähne: „Butterblume“ oder „ Schmalzblume“ kommt von dem Brauch, mit den Blüten die Butter gelb zu färben. „Bettpisser“ verweist auf die harntreibende Wirkung des Löwenzahns, „Augenmilchkraut“ auf seine traditionelle Anwendung bei Augenentzündungen (bitte heutzutage nicht mehr anwenden!). Und die verblühte Pflanze kennt jedes Kind als – ja, genau: Pusteblume!

Im Wonnemonat Mai ist so manche Wiese über und über von gelben Löwenzahnblüten überzogen. Die Blüten, die ausschließlich aus Zungenblüten bestehen, sitzen einzeln an dem hohlen, Milchsaft führenden Stängel. Dieser Milchsaft hinterlässt zwar fiese braune Flecken, löst aber im Gegensatz zu seinem schlechten Ruf nur selten Allergien aus.

Nach der Blüte bildet sich ein weiß- fedriger Fruchtstand: Jeder einzelne Same hängt an einem kleinen „Fallschirm“. Dieser wird vom Wind nicht nur leicht und weit fortgetragen, sondern er kommt auch immer mit dem Samen voran auf dem Boden auf – optimale Bedingungen für den Löwenzahn, um sich auszubreiten. Und wenn er erst einmal Fuß gefasst hat, verankert er sich mit einer so kräftigen Pfahlwurzel im Erdreich, dass er sich nicht mehr schnell aus dem Garten verbannen lässt.

Die medizinische Verwendung des Löwenzahns wird erstmals von arabischen Ärzten im 11. Jahrhundert erwähnt. Der Arzt und Botaniker Adam Lonitzer beschreibt im 16. Jahrhundert seine Verwendung bei Fieber, Seitenstechen, Abszessen und Augengeschwüren. Christoph Wilhelm Hufeland, einer der bekanntesten Ärzte der Goethezeit, schätzte den Löwenzahn als kräftigendes Mittel bei Leber- und Gallenleiden; Pfarrer Sebastian Kneipp empfahl ihn ebenfalls bei Lebererkrankungen, aber auch bei Hämorrhoiden.

Überliefert sind auch solche, eher in den Bereich der Kräutermagie fallenden, Empfehlungen: Warzen verschwinden, wenn man sie bei abnehmenden Mond mit dem Milchsaft des Löwenzahns beträufelt; wer sich ein Bündel Löwenzahnblätter um den Hals hängt, bis sie vollständig getrocknet sind, wird von Zahnschmerzen befreit.

In der Wurzel wurden mehr als 50 verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen, die je nach Jahreszeit in unterschiedlichen Konzentrationen vorkommen. Hier ist v.a. Inulin zu nennen, dessen Konzentration im Herbst stark ansteigt. Die jungen Blätter werden auch als Salat oder Presssaft im Rahmen einer „Frühjahrskur“ verwendet. Man spricht hierbei vom Löwenzahn als „Waschpulver“ für den menschlichen Organismus. Durch die enthaltenen Bitterstoffe wird der Stoffwechsel angeregt. Dadurch können Erkrankungen wie Rheuma und Gicht, aber auch Ekzeme und Hautausschläge eine Linderung erfahren. Die Blüten des Löwenzahns sind ebenfalls essbar. Man kann die Blütenblätter im Frühjahr zum Dekorieren von Speisen verwenden oder auch einen Löwenzahn-Sirup herstellen, der - mit Wasser verdünnt - einen leckeren Durstlöscher ergibt.

Rezept für Löwenzahnsirup

200 g frische Löwenzahnblüten
750 ml Wasser
500 g Zucker
1 unbehandelte Zitrone

Herstellung: Zitrone in Scheiben schneiden, mit Wasser und Zucker in einen Kochtopf geben und so lange kochen, bis die Konsistenz sirupartig wird. Währenddessen die gelben Zungenblüten abzupfen. In den noch heißen Sirup (Vorsicht, wird sehr heiß!) die gelben Blütenblätter unterrühren, abdecken und 24 Stunden stehen lassen. Anschließend das Gemisch durch ein feines Sieb oder ein sauberes Baumwolltuch abseihen. Den gelben Sirup noch einmal kurz aufkochen und in ausgekochte Flaschen abfüllen.

geschrieben von Apothekerin Sigrid Billig als „Gartenvisite auf Distanz" für Dienstag, den 12.5.2020

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