Taufspritze

Zur Ausrüstung einer Hebamme gehörte bis in das 19. Jahrhundert hinein eine Taufspritze für die Nottaufe. Der „Stadt- und Landphysikus” Johann Baptist Obermayer empfiehlt in seinem 1791 erschienen Lehrbuch der Entbindungskunst den Hebammen, sich dafür einer „mit klarem und laulichtem Wasser angefüllten Wasserspritze [zu bedienen], an welcher das Rohr wohl stumpf-rund und lang genug seyn muß, um das Wasser bis an das Kind bringen zu können.” Die hier gezeigte, zierliche Klistierspritze aus der Sammlung des Deutschen Medizinhistorischen Museums hätte sich für eine Verwendung als Taufspritze durchaus geeignet.

Die Nottaufe wurde von den Hebammen „bei dringender Lebensgefahr” auch am noch nicht geborenen Kind vorgenommen. Wenn das Ungeborene für die taufenden Hände der Hebamme noch nicht sicher erreichbar war, griff diese zur Taufspritze. Deren Handhabung beschreibt Obermayer wie folgt: „Alsdann steckt sie die linke Hand, dessen Oberfläche mit Oel oder Fett bestreichen seyn muß, in die Mutterscheide, biß daß sie den Teil des Kindes gefunden hat, welchen sie von seinen Häuten abgedeckt zu seyn erkennt; neben der Hand stecket sie die Wasserspritze bis zu diesem Theil hinein; drükt den Stempel, und das Wasser ergießt sich über das Kind; zu gleicher Zeit aber spricht sie diese Worte aus: Wenn du lebest, so taufe ich dich [im Namen Gott des Vaters] etc.” Die Frage, was für ein Wasser man zur Taufe nehmen solle, beantwortet Obermayer ganz im Sinn des aufgeklärten Arztes: Es sei nicht notwendig, dass das Wasser geweiht sei, es soll aber „recht reinlich” und gut temperiert sein. In den zeitgenössischen Hebammenordnungen wird betont, dass eine Nottaufe mit Bier oder Wein vor Gott keine Gültigkeit habe. Vermutlich war in manchen Gebärstuben ein stärkender Trunk rascher zur Hand als reines Wasser...

Doch nicht nur die richtige Handhabung von Taufspritze und Taufwasser war wichtig, auch die dabei zu sprechende Taufformel musste von der Hebamme korrekt beherrscht werden, wenn die Taufe wirksam werden sollte. Deshalb gehörte zur Einstellung einer Stadthebamme nicht nur deren fachliche Prüfung durch die Stadtärzte, sondern auch ihre Examinierung durch den Pfarrer. Im Stadtarchiv Ingolstadt hat sich die Bescheinigung einer solchen Taufprüfung erhalten: Am 3. April 1749 bestätigte darin Johann Joseph Anton Hertel, Pfarrer bei St. Moritz, der Hebamme Anna Elisabetha Püschler, dass diese „über die weise, und manier, wie bey sich anbegebenten Nothfahl das heyl[ige] Sacrament des Tauffs denen under ihrer Handt zur Geburth bekommenten Künderen zu ertheillen seyen mechte”, hinlänglich unterrichtet sei. Um diesen Unterricht immer frisch im Gedächtnis zu behalten, solle sie sich zukünftig alle drei Monate bei dem zuständigen Pfarrer melden.

Die große Bedeutung der Nottaufe erklärt sich aus dem damaligen Glauben, dass in Folge des  Sündenfalls jeder Mensch bei seiner Geburt mit der Erbsünde belastet sei und nur durch die Taufe davon rein gewaschen werden kann. Ungetauft verstorbene Kinder, so die gängige Vorstellung, kamen zwar nicht in die Hölle, aber auch nicht in den Himmel. Auf sie wartete eine Art Randbereich des Jenseits, der „Limbus puerorum”, wo sie in aller Ewigkeit in Finsternis verharren und der beseligenden Gottesschau beraubt sein würden. Für den Fall, dass die Hebamme die Nottaufe nicht rechtzeitig durchführen konnte, gab es mancherorts noch einen allerletzten Ausweg – etwa in Oberbüren im Kanton Bern: Das hier verehrte Gnadenbild der Mutter Gottes stand in dem Ruf, totgeborene Kinder ins Leben zurückzuholen. Nicht auf Dauer, aber lange genug, um die Taufe vorzunehmen.

 

Literatur:

Johann Baptist Obermayer: Ausführlicher Unterricht in der Entbindungskunst hauptsächlich zum Gebrauch für Wundärzte und Stadt- und Land-Hebammen. Sulzbach 1791

Rudolf Käser: Vom wundersamen Marienstandbild in Oberbüren.
[http://www.seebutz.ch/images/08_vom%20wundersamen.pdf, Zugriff 15.4.2014]

Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Internationale Theologische Kommission, Die Hoffnung auf Rettung für ungetauft sterbende Kinder. Bonn 2008 (Arbeitshilfen 224)
[http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/veroeffentlichungen/arbeitshilfen/AH_224.pdf, Zugriff 15.4.2014]


Autorin:

Prof. Dr. Marion Ruisinger

Anatomiestraße 18 – 20 · 85049 Ingolstadt · (0841) 305-2860 · Fax -2866 · E-Mail: dmm@ingolstadt.de