Dorothea Buchner

Das Deutsche Medizinhistorische Museum besitzt eine Porträtsammlung von rund 2.300 Druckgrafiken und Zeichnungen von Personen aus den Bereichen Medizin, Pharmazie und Naturwissenschaften. Darunter befinden sich nur neun Frauenporträts, was dadurch zu erklären ist, dass Frauen der Zugang zu diesen Wissensgebieten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erschwert wurde. Einzelnen Frauen war es dennoch möglich, als Apothekerin zu arbeiten, wie das folgende Beispiel veranschaulicht.

Der Porträtstich zeigt Dorothea Buchner (1608–1684) auf einem Stuhl sitzend in der Tracht einer Nürnberger Patrizierin des 17. Jahrhunderts. Sie trägt ein reich verziertes Kleid, auf dem Kopf thront die für ihren Stand übliche Haube aus Marderfell. In der Hand hält sie eine Rose. Sowohl ihre Kleidung als auch ihr Schmuck demonstrieren ihren Reichtum und ihre gehobene Stellung innerhalb der Nürnberger Bürgerschaft.

Soweit deckt sich dieses Bildnis mit zahlreichen zeitgleichen Porträts Nürnberger Patrizierinnen. Diese Darstellung weist jedoch einige Besonderheiten auf. Dorothea Buchner sitzt vor einem Bücherregal und wird dadurch als Gelehrte charakterisiert, was im 17. Jahrhundert für eine Frau unüblich war. Bei genauem Hinsehen entdeckt man in und vor diesem Bücherregal kleine Dosen und Fläschchen, einen Mörser zum Zerkleinern von Arzneistoffen und ein Destilliergerät. Dies sind Attribute der Apothekerzunft und geben Hinweis auf eine Tätigkeit Dorothea Buchners als Apothekerin. In den handschriftlichen Zeilen unter dem Bild wird zudem ihr Wissen in der „Kunst der Artzeney” gelobt.

In Nürnberg war es Frauen damals per Gesetz verboten, eine Apotheke zu führen. Wie kam es dennoch dazu, dass Dorothea Buchner Arzneien herstellen und verkaufen konnte? Ihr Mann Friedrich Buchner, ein Apotheker, war drei Jahre zuvor gestorben. Witwen war es zu dieser Zeit kaum möglich, mit eigener Arbeit den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien aufzubringen. Daher heirateten sie oftmals recht bald wieder, um ihre Versorgung sicherzustellen. Allerdings räumte der Rat der Stadt Nürnberg Apothekerwitwen das Sonderrecht ein, die Apotheke des verstorbenen Ehemannes für einen begrenzten Zeitraum weiterzuführen. So waren gleichzeitig der Fortbestand der Apotheke und der Unterhalt der Familie gesichert. Die Details dieser Porträtdarstellung weisen darauf hin, dass Dorothea Buchner mit ihrem Mann in der Apotheke zusammen gearbeitet hatte und dass sie nach dessen Tod die Apotheke mit ihrem gesammelten Wissen eigenständig leiten konnte.

Neben der Darstellung sind auch die Widmungsverse über und unter dem Bildnis beachtenswert. Die Verse stammen von dem Schwiegersohn Dorothea Buchners, der das Porträt in Auftrag gegeben hatte. Sie dokumentieren einen Zustand vor der endgültigen Fertigstellung der Druckplatte. Der Stecher hatte nur das Porträt in die Platte gestochen und diesen Probedruck gemacht. Der Auftraggeber überzeugte sich anhand des Probedrucks von dessen Qualität und fügte die Widmung hinzu, die anschließend in die Druckplatte gestochen wurde. Das fertige, durch den Text ergänzte Porträt wurde dann in der gewünschten Auflagenhöhe gedruckt. Das Porträt der Dorothea Buchner gibt somit einen seltenen Einblick in die verschiedenen Arbeitsschritte der Druckgrafik-Produktion und zeigt gleichzeitig eine angesehene Frau, die erfolgreich als Apothekerin tätig war.

 

Literatur:

Berghaus, Peter (Hg.): Graphische Porträts in Büchern des 15. bis 19. Jahrhunderts. Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 63. Wiesbaden 1995.

Hoch, Fritz: Nürnberger Patrizierbildnisse in der graphischen Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für kulturgeschichtliche und biologische Familienkunde, Nr. 3, Nürnberg 1924.

Kruse, Britta-Juliane: Witwen. Kulturgeschichte eines Standes in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Berlin (u.a.) 2007.

Zander-Seidel, Jutta: "Haubendämmerung". Frauenkopfbedeckungen zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit. In: Schorta, Regula und Schwinges, Rainer C. (Hg.): Fashion and clothing in late Medieval Europe. Basel 2010, 37–43.


Autorin:

Dorothea Niggemeier, M.A.
Kunsthistorikerin und ehemalige Mitarbeiterin in der Graphischen Sammlung des Deutschen Medizinhistorischen Museums

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