Brutschrank

In der Sammlung des Deutschen Medizinhistorischen Museums befinden sich zahlreiche Laborgeräte. Bei den meisten handelt es sich um Gerätschaften der Klinischen Chemie aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Doch einige sind auch deutlich älter – so etwa dieser schmucke Brutschrank der Berliner Firma „F. & M. Lautenschläger”.

Im Firmenkatalog wird darauf verwiesen, dass dieser „Apparat für konstante Temperaturen“ auch im „Kgl. Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten” in Berlin verwendet werde. Der Leiter des 1891 gegründeten Instituts war kein anderer als Robert Koch (1843–1910). Seine bahnbrechenden Arbeiten zu Milzbrand, Tuberkulose und Cholera legten die Grundlage für das neue Forschungsgebiet der Mikrobiologie. Am 24. März jährt es sich heuer zum 130. Mal, dass Robert Koch der Berliner Physiologischen Gesellschaft die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers bekannt gab.

Vor allem jüngere, ambitionierte Ärzte wandten sich seit den 1880er Jahren diesem Gebiet  zu, das interessante Karrieremöglichkeiten versprach. So war Albert Neisser gerade 24 Jahre alt, als er den (später nach ihm benannten) Erreger der Gonorrhoe beschrieb. Für diese ersten, tastenden Schritte in der mikrobiologischen Forschung standen oft noch keine entsprechend eingerichteten Laboratorien zur Verfügung, hier war Improvisationstalent gefragt.

Die Firma Lautenschläger erkannte die sich abzeichnende Marktlücke frühzeitig. Sie richtete Spezialwerkstätten ein, in denen nicht nur Gerätschaften für die mikrobiologische Forschung und Diagnostik entwickelt wurden, sondern auch „aseptische Apparate” zur Ausstattung chirurgischer Kliniken. Ein wichtiger Entwicklungspartner und Kunde war das bereits genannte, von Robert Koch geleitete Forschungsinstitut, aus dem auch das in Ingolstadt ausgestellte Exemplar stammt.

Wie funktionierte der Brutschrank? Der „ganz aus I a starkem Kupfer gefertigte Brutapparat” besitzt eine doppelte Wandung, zwischen der Wasser zirkulierte, das durch eine Gasheizung erwärmt wurde. Das Gas strömte, vom Gashahn kommend, durch ein flexibles „Patent-Spiralrohr”, das in eine starre Gasleitung überging. Diese lief durch die seitlichen Ösen des Brutschranks nach unten zum Brenner, der sich in einem separaten „Brennerschutzkasten” unter dem Brutschrank befand. Durch einen quecksilberhaltigen „Thermoregulator” wurde die Temperatur konstant gehalten. Die wie kleine Schornsteine aus dem Kasten ragenden Kupferrohre münden in den wasserhaltigen Innenraum der Wandung. Sie dienten zum Anbringen von Thermometern, mit denen die Temperatur kontrolliert werden konnte. Die Glasscheibe der inneren Tür ist in zeittypischer Weise mit floralen Ätzmotiven geschmückt. Die nüchterne Sachlichkeit der Laborgerätschaften, wie wir sie heute kennen, wurde erst später üblich.

Ein klinisches Laboratorium benötigte mehrere solcher Brutschränke für verschiedene Temperaturen. So verfügte die 1896 eröffnete Frauenklinik Basel, die von dem mikrobiologisch erfahrenen Gynäkologen Ernst Bumm geleitet wurde, in ihrem „wissenschaftlichen Laboratorium” über vier „Thermostaten [...], welche auf eine Temperatur von 20, 30, 37 und 52° C” eingestellt waren. Die hohe Temperatur von 52° diente allerdings nicht zum Züchten von Bakterienkulturen, sondern zum Schmelzen von Paraffin für die Anfertigung von Gewebeschnitten.

 

Literatur:

F. & M. Lautenschläger, Berlin. Katalog No. 97 (um 1908)

Bumm, Ernst: Über die Entwickelung der Frauenspitäler und die moderne Frauenklinik. Wiesbaden 1897

Neisser, Albert: Ueber eine der Gonorrhoe eigentümliche Micrococcusform. In: Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften 28 (1879), S. 497–500


Autorin:

Prof. Dr. Marion Ruisinger

Anatomiestraße 18 – 20 · 85049 Ingolstadt · (0841) 305-2860 · Fax -2866 · E-Mail: dmm@ingolstadt.de